Die $ 1 Billion L�sung
15.3.08
Die vergangene Woche endete genauso deprimierend wie die Woche davor und die Woche davor. Jeden Montag wachte man auf, versuchte die tr�bseligen Nachrichten aus �bersee zu verdauen, seufzte ein "es hilft ja doch nichts" um sich dann innerlich zu wappnen gegen weitere deprimierende Nachrichten. M�rkte versuchten sich zu stabilisieren, eine Basis zu bauen und letztendlich einfach den allt�glichen �berlebenskampf zu meistern wie jeder andere Drogens�chtige auch, der von seiner Umwelt zu einer "Cold Turkey" Entziehungskur gezwungen wurde. Freitags Nachmittags dann, nach einer langen erm�denden Woche, stellt sich dann doch heraus, dass auch dieser Stabilisierungsversuch, wie alle anderen zuvor, vergeblich war und dass einem schliesslich doch nichts anderes �brig bleibt als erneut ersch�pft in die Derpession zur�ckzufallen. Die Bullen k�mpften wacker tagein - tagaus, nur um dann in der letzten Stunde am Freitag doch wieder auf den Hinterhufen mit dem R�cken an der Wand zu stehen. An jedem der drei vergangenen Freitage schloss der Aktienmarkt im Wochentief. Jede der letzten drei Wochen endete mit der Aussicht, das ein mit tr�bseligen Nachrichten und omin�sen Warnungen gef�lltes Wochende bevorstand. Kann es da noch verwundern, dass die Reflexe uns nach der bekannten Droge greifen lassen? Die Droge hier ist jedoch nicht der Alkohol sondern Kredit, verkauft unter dem Markennamen "Liquidit�t" und darf nur von Dr. Ben Bernanke verabreicht werden, f�r medizinische Zwecke, versteht sich. Das amerikanische Finanzsystem braucht Kreditkapazit�t (Kredit schmiert das Getriebe der Wirtschaft) und das kann nur erreicht werden, indem man den Banken und Brokern soviel Kapital zur Verf�gung stellt, dass sie die ausstehenden Schulden (gute und schlechte) in den Bilanzen halten und abschreiben k�nnen anstatt sie zu zwingen, diese in einem unfreundlichen Markt verramschen zu m�ssen. Geldmengenwachstum wird den Banken und Brokern letztendlich gen�gend Kapital beschaffen um alte Kredite halten und neue Kredite vergeben zu k�nnen. Bernanke bleibt in der Zwischenzeit nichts anderes �brig, als die Entzugssyndrome zu lindern.
Die Geldmenge, hier ausgedr�ckt als M2, stieg in den vergangenen 2 Monaten um $200 Mrd. bzw. 22% annualisiert. M 2 besteht aus Bargeld plus Giro-, Sparkonten, privaten Geldmarktkonten und Festgeldeinlagen. M 2 stellt somit den liquiden Teil des Finanzsystems dar. Eine �hnliche Geldmenge MZM (money zero maturity) mit Orientierung zur institutionellen Seite besteht aus M2 minus privaten Festgeldern plus institutionellen Festgeld- und Geldmarktkonten. Auch MZM zeigt Wachstum im zweistelligen Bereich. Dieser allgemeine Liquidit�tsanstieg wurde von Spargeldkonten (man h�re und staune) angef�hrt. Sparkonten sind wichtig f�r das Bankensystem, da Sie die Kapazit�t der Banken erh�hen, Kredite abschreiben oder neue Kredite vergeben zu k�nnen. Jeder Dollar, der auf einer Bank deponiert wird, erm�glicht der Bank eine Kreditvergabe in H�he von $0,90. Die restlichen 10% verbleiben als Reserve in der Bank. Wenn die Federal Reserve das Wettrennen von Inflation (Provisionierung fl�ssiger Mittel durch Geldmengenwachstum) gegen Deflation (faule Schulden werden gehalten, mit Verlust verkauft oder abgeschrieben) gewinnen will, dann ist sie gezwungen am augenblicklichen Kurs festzuhalten. Zinsen m�ssen weiter gesenkt werden und das System mit Liquidit�t versorgt werden. Die Lage des amerikanischen Finanzsystems erinnert mich mehr und mehr an die deflation�re Spirale in Japan nach dem Platzen der Immobilienblase 1989. Bernanke�s Rede von 2002 erscheint in diesem Kontext immer prophetischer. (schauerlich, ironisch) benutzen Sie Ihr eigenes Adverb. Japan leidet heute noch, zwanzig Jahre sp�ter unter den Folgen dieser deflation�ren Spirale. Wenn ich zu w�hlen h�tte, dann w�rde ich in jedem Falle die Inflation der Deflation vorziehen. Wenn Bernanke das System weiterhin mit Liquidit�t versorgt, dann hat die amerikanische Wirtschaft eine reale Chance, das folgende Jahr einigermassen heile zu �berstehen. Die Zeit dr�ngt jedoch. Von Vorteil ist, dass die Inflationszahlen vom Freitag gutm�tig waren. Der Verbraucherpreisindex (CPI) verlangsamte sein j�hrliches Wachstum von 4,4% im Januar auf 4,1% im Februar. Der Kernindex fiel ebenfalls von 2,47% auf 2,28%. Die Zahlen wurden nat�rlich allseits kritisiert und als unzuverl�ssig bzw. als manipuliert verunglimpft. Tatsache ist jedoch, dass die Federal Reserve diese Zahlen, welche in ihrer heutigen (angeblich bankrotten) Form ja nun bereits seit dem Jahre 1980 die Inflation zu messen suchen, als Feigenblatt ben�tigt, um den gegenw�rtigen Kurs beibehalten zu k�nnen. Das Haus steht in Flammen und Bernanke hat nicht den Luxus, sich �ber m�gliche Wassersch�den (Inflation) den Kopf zerbrechen zu k�nnen. Ohne Wasser gibt es bald �berhaupt kein Geb�ude mehr. Wir k�nnen nat�rlich beklagen, dass die Kur schlimmer ist als die Krankheit; eine ernstzunehmende Alternative gibt es jedoch nicht. Man wird sich halt arrangieren m�ssen.
Der erste Chart zeigt alle Aktiva des amerikanischen Finanzsystems. Aktiva der Banken bestehen naturgem�ss aus Krediten an private und �ffentliche Haushalte. Diese Aktiva sind Bestandteil der Bilanzen und belaufen sich derzeit auf 9,369 Billionen. Kredite die ausserhalb der regulierten Bilanzen (off balance sheet transactions) vergeben wurden, sind immer noch schwer zu erfassen. Der Anstieg des offiziellen Kreditvolumens nahm in den vergangenen Monaten dramatisch ab. Banken sahen sich gezwungen, Einlagen zu horten um Abschreibungen �berstehen zu k�nnen. Je schneller die Geldmenge w�chst, desto schneller werden Banken in der Lage sein, Verluste wettzumachen, neue Kredite bewilligen zu k�nnen und die Wirtschaft aus dem Gleitflug in den Steigflug zu bringen. Wenn Bankkredite in den n�chsten 12 Monaten um ein Billion Dollar steigen k�nnen (was durchaus realistisch erscheint), dann k�nnten die $400 - $600 Mrd. an faulen Schulden bald abgeschrieben sein. Alle fl�ssigen Mittel verblieben dann jedoch im Bankensystem und st�nden kaum f�r neue Kreditvergabe zur Verf�gung, da neue Kredite nicht mehr wie bisher verbrieft und im Markt verkauft werden k�nnten. Banken sind also in Zukunft gezwungen alle vergebenen Kredite selber zu halten. Dies bedeutet wiederum, dass die Normen f�r Kreditbewilligungen steigen werden.
Die Federal Reserve Board misst diese Standards in einer viertelj�hrlichen Umfrage mit dem Titel "Senior Loan Officer Opinion Survey". Bei der Lekt�re dieser Umfrage wird ziemlich schnell klar, dass Kredit-Standards genau dann den Boden erreichten, als Eigenheimpreise im Jahre 2005 den Gipfel erklommen. Ich fasse zusammen: Das Finanzsystem wird bereits seit Monaten mit Liquidit�t versorgt. Wenn die Geschwindigkeit beibehalten wird, dann sollten sich messbare Erfolge im 4. Quartal einstellen. Wenn Erfolge im 4. Quartal messbar sein werden, dann sollten Aktien diesen Umstand ziemlich bald (sprich in dieser Woche) diskontieren. Wir haben eine Art Boden erreicht. Bullen sind alle ausgemerzt, Vertrauen in die Zukunft ist zerst�rt. "I've been down so god damn long that it looks like up to me."
Hermann Vohs